Der in Valencia leben­de Schweizer Daniel Izquierdo-Hänni schreibt einen medi­ter­ran-ent­spann­ten, authen­ti­schen Spanien-Krimi

Der Roman „Mörderische Hitze – Alapont ermit­telt in Valencia“ fängt nicht gleich mit einem Mord an, son­dern stellt als Erstes den Protagonisten vor. Dieser tritt an einem für die Region Valencia typi­schen Hitzetagen in sei­ne ehe­ma­li­ge Stammkneipe.

Was machst du an einem Ponentà-Tag auf der Straße? Wir haben Dienstpläne, an die wir uns hal­ten müs­sen, aber du? Bist ja jetzt dein eige­ner Chef“, kom­men­tiert Sánchez etwas iro­nisch und zeigt auf die zwei Uniformierten, die mit ihm am Tisch sitzen.

Das sind Rocío Heredia und Aitor Zabaleta, bei­de erst seit Kurzem in Valencia im Dienst. Sie kommt aus Sevilla, er aus dem Baskenland.“ Die bei­den grü­ßen, indem sie ihre halb lee­ren Biergläser heben. Alapont tut das Gleiche mit sei­nem Kaffee, in wel­chem die Eiswürfel bei­na­he schon geschmol­zen sind. Dabei nimmt er die jun­gen Beamten ins Visier. Der Typ, Zabaleta, ent­spricht voll und ganz der lan­des­wei­ten Vorstellung eines Basken: ein gro­ßer, kräf­ti­ger Kerl, bei­na­he schon ein Hüne. Sie hin­ge­gen ent­spricht mit ihren blau­en Augen und den blon­den Haaren, die zu einem Rossschwanz zusam­men­ge­bun­den sind, über­haupt nicht dem Klischeebild einer Andalusierin. Jedenfalls nicht so, wie sie Georges Bizet in sei­ner Oper Carmen beschrie­ben hat.

Kollegen, dies ist Alapont, einer der bes­ten Inspektoren, die wir in Valencia je gehabt haben, bis er sei­ne Freistellung bean­tragt und den Job an den Nagel gehängt hat. Jetzt macht er als Taxifahrer die Straßen unse­rer Stadt unsi­cher.“ Dieser Spruch geht ihm mitt­ler­wei­le gehö­rig auf die Nerven. Jedes Mal, wenn er Sánchez trifft, lässt die­ser den immer glei­chen Kommentar vom Stapel. Zu Beginn war es ja noch lus­tig, mitt­ler­wei­le wirkt es nur noch abge­dro­schen. Aber es ist zu heiß, um sich auf­zu­re­gen, denkt sich Alapont, und leert in einem schnel­len Zug das, was noch von sei­nem Eiskaffee übrig ist.

Etwas spä­ter muss Alapont wie ver­ein­bart einen Fahrgast in des­sen Hotel abho­len und trifft dort uner­war­tet auf sei­nen eins­ti­gen Partner bei der Policía Nacional: Eiskalte Luft schlägt ihm ent­ge­gen, die Klimaanlage funk­tio­niert zwei­fels­oh­ne bes­tens. Da er ein klein wenig zu früh ist, geht er etwas hin und her, um sich die Beine zu ver­tre­ten. Doch mit den Minuten, die ver­ge­hen, beschleicht ihn lang­sam ein mul­mi­ges Gefühl, sodass er sich an die Rezeption wen­det. „Ich soll­te um Viertel vor sechs einen Fahrgast abho­len, den ich vor zwei Tagen her­ge­fah­ren habe. Er heißt Manuel, den Familiennamen weiß ich lei­der nicht mehr. Überrascht blickt die Dame am Empfang auf, möch­te was sagen, doch dann wählt sie has­tig eine Kurzwahlnummer.

Hier ist ein Taxifahrer, der den Herrn aus Zimmer 913 abho­len möch­te.“ Ohne einen wei­te­ren Kommentar legt sie den Hörer auf. Ihr Blick ist unru­hig, der Versuch eines Lächelns miss­lingt gänz­lich. „Gleich kommt jemand run­ter.“ Alapont ahnt Böses, und die­se Vorahnung bestä­tigt sich, als er sei­nen Freund, Inspektor Fernando García, aus dem Fahrstuhl kom­men sieht. „Das glau­be ich ja nicht, aus­ge­rech­net du bist der Taxifahrer?“ Es ist erst ein paar Tage her, dass die bei­den zusam­men in die Berge gefah­ren sind, um eine Paella zu essen. Doch auf die­ses rasche Wiedersehen, so begreift Alapont gera­de, hät­te er ger­ne verzichtet.

Fernando, was ist los?“ – „Wir haben oben einen Todesfall, ver­mut­lich ein Suizid. Du sagst, du musst einen Fahrgast abho­len?“ – „Manuel irgend­was. Ich habe ihn vor zwei Tagen vor der Estación del Norte auf­ge­nom­men und hier­her­ge­fah­ren und soll­te mit ihm zum Ferry-Terminal rüber. Er sag­te, er käme aus Utiel.“ Inspektor García zieht sein Mobiltelefon her­vor und hält es Alapont vor die Nase. Dieser hat zwar sei­ne Lesebrille nicht dabei, trotz­dem erkennt er auf dem Foto sei­nen Fahrgast wie­der – blass, leb­los. „Ja, das ist er. Manuel …“

Da Alapont nicht an den Selbstmord sei­nes Fahrgastes glaubt, fängt er auf eige­ne Faust an zu ermit­teln. Gleichzeitig holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein, als ihn sei­ne ehe­ma­li­gen Kollegen bit­ten, zum Fundort einer Leiche in der Altstadt von Valencia zu kom­men. „Alapont, dan­ke, dass du gekom­men bist.“ Der obers­te Ermittler scheint geal­tert zu sein, seit er ihn bei sei­ner Verabschiedung zum letz­ten Mal gese­hen hat. Reflexartig nimmt Alapont Haltung an, so wie es üblich ist, wenn
man als ein­fa­cher Inspektor von einem Ranghöheren ange­spro­chen wird. Doch was soll das? Was tut er da? Unglaublich, wie lan­ge der Mensch braucht, um bestimm­te Gewohnheiten abzu­le­gen, ist der Herr ihm gegen­über ja nicht mehr sein Chef. Also schüt­telt er dem Oberkommissar die Hand, die­ser fasst ihn bei­na­he schon väter­lich an der
Schulter. „Núria Sabater war als Erste da, und ich bin sicher, sie wird dei­ne Expertise zu schät­zen wis­sen. Geh nur durch, sie ist am Fundort.“

Ein blau­er Tintenfisch, der ein rotes Herz umarmt. Alapont kennt die­ses Tattoo nur all­zu gut, auch wenn es das ers­te Mal ist, dass er es in echt und nicht als Fotografie oder Zeichnung sieht. Die Tätowierung ist zwar ver­blasst und zer­setzt, trotz­dem erkennt er die Zeichnung ein­deu­tig wie­der. „Zeig mir die Hand, die lin­ke.“ Dicht hin­ter ihm steht Inspektorin Sabater, mit einem Kopfnicken weist sie den Forensiker an, der in sei­nem wei­ßen Overall am Boden kniet, das Laken an der gewünsch­ten Stelle anzu­he­ben. „Der klei­ne Finger fehlt.“ Der Kommentar des Leichenbeschauers dringt zwar akus­tisch zu ihm durch, doch in Alaponts Kopf herrscht gera­de ein wil­des Durcheinander an Gedanken und Erinnerungen. Einen Augenblick lang steht er da wie ein Autist, der von sei­ner Umgebung rein gar nichts mit­be­kommt – weder von den Spezialisten in ihren Schutzanzügen noch von den Streifenpolizisten, die den Fundort sichern, noch von den bei­den Typen der Gerichtsmedizin, die dar­auf war­ten, den Leichnam weg­zu­füh­ren. „Das ist sie. Das ist Susanna Fabregat!“

Als ihn die Inspektorin an den Arm fasst, reißt sie Alapont aus sei­nen Gedanken, zurück ins Hier und Jetzt. „Komm, lass uns einen Kaffee trin­ken gehen. So kannst du mir erzäh­len, was damals gesche­hen ist. Das ist ja, wie man mir gesagt hat, dein letz­ter Fall gewe­sen.“ In der Tat! Aber es war nicht irgend­ein Fall, son­dern einer, der Alapont voll an die Nieren gegan­gen ist. Warum, weiß er nicht, schließ­lich war er lan­ge genug bei der Polizei, um zu wis­sen, dass man immer einen gewis­sen emo­tio­na­len Abstand wah­ren muss. Ansonsten wür­de man durch­dre­hen, oder man müss­te den Job an den Nagel hän­gen. So wie er es getan hat.

Soweit drei Textpassagen aus dem Kriminalroman „Mörderische Hitze – Alapont ermit­telt in Valencia“. Zwei Tote, zwei Gründe, wes­halb Alapont nicht nur wei­ter Taxi fährt, son­dern auch zum Privatdetektiv wird.

Mörderische Hitze – Alapont ermit­telt – Krimilesung am 25.4.2023, 19 Uhr
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