„Singen! Erzählen! Menschen erreichen!“ steht auf seiner Homepage. Dieses Motto wollte der in Argentinien geborene Operntenor Pedro de Castro einlösen, als er den Mitgliedern des Euroclubs einen Vortrag über die menschliche Stimme angeboten hatte. Es ging im Kern darum zu zeigen, was mit der Stimme alles möglich ist. De Castro hat an der Kölner Musikhochschule Operngesang und Musikwissenschaften studiert, weist mehr als 750 internationale Auftritte als Tenor in Oper, Operette und Theater vor. Einen Sänger vergleicht er mit einem Hochleistungssportler, der Vorbereitung und Leistung über einen längeren Zeitraum strukturieren muss und von Beginn an bis zum Ende konzentriert arbeiten muss. Nur so seien Weltkarrieren machbar. Diese Vorgehensweise war offensichtlich auch für den organisatorischen Rahmen des Vortrags im Club maßgeblich. So waren bühnengleich Scheinwerfer ausgerichtet, Rollos hinabgelassen und selbst die Sitzordnung war nicht beliebig wie sonst. Die Aussage war deutlich: Heute passiert etwas Besonderes, die volle Aufmerksamkeit ist gewünscht.
Nach einem musikalischen Einstieg ging es los in die Welt des Sprechens und vor allem des Gesangs. „Was gibt es Schöneres als Singen? Dieses „Joggen für die Seele“ schont die Gelenke und macht das Herz froh. Meinen Körper als Ursprung und Quelle verschiedener Resonanzen und Klänge zu spüren, begeistert mich seit gut dreißig Jahren“, sagt der 62Jährige und erklärt gleich zu Beginn, wie diese Resonanz zustande kommt. Es ist mucksmäuschenstill im Saal, als De Castro mittels Vergleiche und Anekdoten erklärt, dass ausreichend Luft wichtigste Voraussetzung dafür ist. „Es ist das Taxi von meinem Mund zu den Ohren“, sagt er und räumt gleich danach mit einem Irrtum auf. Resonanz entstehe beim Menschen nicht von selbst und schon gar nicht im Bauch, sondern müsse im Nasen- und Kopfraum hergestellt werden. Deshalb sei die Nasendusche auch der beste Freund des Sängers.
Pedro de Castro ist ein Meister der Vermittlung. Zu jeder theoretischen Erklärung bietet er – als Beweis – die Praxis an. Töne werden gebildet, Mimiken demonstriert, weite Bewegungen mit den Händen vollzogen. Der ganze Mann spricht. Man merkt, dass der Sänger auch Gesangslehrer, sowie Stimmcoach ist. Und seine Kunden kennen vermutlich auch einen seiner Kernsätze „Der größte Feind des Sängers ist seine eigene Scham“, was sich nicht nur auf das Singen, sondern generell auf das Präsentieren des eigenen Könnens bezieht. Jeder, der schon einmal vor einer Gruppe von Menschen etwas zeigen oder sagen musste, wird wissen, was De Castro damit meint. „Frauen sind in Meetings, wo man sich durchsetzen muss, im Nachteil, weil ihre Stimmlage im Vergleich zur männlichen höher ist. Das ist gottgegeben und man kann es leider nicht ändern. Aber wenn Frauen dort singen würden wäre das viel besser für sie. Singende Frauen sind nämlich lauter und für Männer ein Albtraum“, lacht De Castro
Warum soll der Mensch singen? Der Profimusiker hat eine einfache Erklärung. Es sei gesund, weil der Puls steige und weil Gesang eine klare psychische Komponente habe. „Seelischer Schmutz verschwindet“. Zum Singen eignet sich übrigens am besten die italienische Sprache. Die konsonantenstarke deutsche Sprache raubt dem Gesang Luft, die vokalreiche italienische Sprache lässt den Gesang schwingen.
Ein besonderer Reiz liegt im Kennenlernen der eigenen Stimme. „Beim Singen kann man sich nicht verstellen. Es ist die hörbare Identität und ich erlebe Singen als eine extrem erfrischende und preiswerte Verbesserung meiner Lebensqualität“, sagt De Castro. Stimme sei ja auch immer ein Angebot, welches man mache. Nicht nur, um etwas zum Ausdruck bringen, sondern auch, um jemanden zu berühren. Wie es sich anfühlt, wenn ein Chor gemeinsam Schillers Ode an die Freude singt zeigte sich am Ende des Abends als De Castro zum gemeinsamen Gesang aufforderte! Es war ein ganz besonderes Erlebnis! „Freude schöner Götterfunken“ glättete das seelische Kostüm, zauberte glückliche Gesichter und das Experiment machte deutlich, dass wirklich jeder singen kann.
Elisabeth Neumann-Wiefel
(Homepage Pedro de Castro: Singenkannjeder.de)
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